Das (W) Ringen im Handel um Einkaufskonditionen

Wieder tobt der Kampf um Einkaufskonditionen – diesmal zwischen Edeka und Nestlé. Rund 30 Prozent des Nestlé-Umsatzes wurden in den vergangenen Wochen aus den Edeka-Regalen verbannt. Der Verbraucher honoriert die Vorgehensweise von Edeka laut YouGov durch Steigerung der Beliebtheit des Lebensmittelhändlers. Trotz bevorstehender Einigung muss man sich die Frage stellen: Kann es hier einen Gewinner geben?

Konditionen der Konkurrenz aufgedeckt

Die Auslistung der Nestlé-Produkte – darunter Tiefkühlpizza von Wagner, Schokoriegel von Kitkat und Getränke von Vittel – hatte nichts mit ethisch-moralischen Bedenken zu tun. Obwohl Nestlé seit Jahren Krisen-PR managen muss wegen: Müllentsorgung der Nespresso-Kapseln, Palmöl und der damit verbundenen Vernichtung von Regenwäldern und der Ausbeutung von Wasserrechten für Vittel.

Bei diesem Boykott geht es um knallharte Einkaufskonditionen, die zur eigenen Gewinnmaximierung beitragen sollen. Durch die Händlervereinigung Agecore kam Edeka an die Einkaufskonditionen der Konkurrenten, die um 0,4 Prozentpunkte besser lagen als die eigenen. Mit diesem Wissen versucht das Unternehmen nun, dem Nestlé-Konzern die Daumenschrauben anzulegen, denn im Handel liegen die Margen bei mageren 1 bis 2 Prozent.

Die neue Macht der Internationalität

Welche Chancen hat Nestlé, wenn Edeka seine Marktmacht über europäische Partner wie Intermarché, Coop Schweiz oder Colruyt bündelt, um den Konzern bei Preisen und Konditionen in die Knie zu zwingen? Geht es doch bei dieser Einkaufsallianz immerhin um 2 Milliarden Euro Umsatz im Jahr. Wer einmal auf beiden Seiten der Verhandlungstische gesessen hat weiß, die Kämpfe in den „Jahresgesprächen“ werden erbittert ausgefochten werden.

Die Vorstände der Handelskonzerne geben dem Einkauf bzw. Category Management Jahr für Jahr vor, wieviel Prozent „Verbesserung“ der Einkaufskonditionen sie erwarten – selbstverständlich ohne erweiterte Gegenleistungen! Auf Basis der Listenpreise der Hersteller, die über der unverbindlichen Preisempfehlung (UVP) liegen, geht es nun um die sogenannten „Konditionen“. Schlagworte wie Werbekostenzuschuss (WKZ), Platzierungskonditionen, Hochzeitsboni (bei Fusionen) etc. sind gängige Praxis. Und wer behauptet, Einkäufer sei kein kreativer Beruf, liegt falsch! Immer neue Wortschöpfungen treten zutage, wenn es um das Geld der Industrie geht! Über Jahre hinweg haben sich daraus wild wuchernde Konditionenpakete entwickelt, die nur noch über eine Einkaufssoftware gesteuert werden können.

Einsatz unfairer Mittel?

Der Edeka-Chef Markus Mosa ist sich seiner Macht bewusst. Der hartnäckige Industriepartner Nestlé verhandelt seit September mit dem Unternehmen – jedoch ohne Ergebnis. Der Einwand des Nestlé-Chefs Mark Schneider, dass die “aggressive und europaweit koordinierte Vorgehensweise“ neu sei und nicht dem guten Vorgehen in der Branche entspricht, mutet eher ironisch an. Denn auch die Konzerne greifen mitunter zum Lieferboykott, um Verhandlungsdruck aufzubauen. Allerdings muss man konstatieren, dass Edeka 28% Marktanteil in Deutschland und damit auch eine große Einkaufsmacht hat (Rewe 20%). Der Anteil ist durch die Übernahme der maroden 338 Kaiser’s Tengelmann Märkte auf diese Zahl gestiegen, der Ebit (ohne selbständige Kaufleute) sank jedoch um 5 Prozent.

Druck durch Wachstum der Discounter

Der Druck auf die Vollsortimenter wie Rewe und Edeka ist noch einmal gestiegen, denn der Kampf um den markenbewussten Kunden ist durch die Discounter neu entfacht worden. Hinzu kommt das anhaltende Wachstum von Supermärkten und Discountern, dass zu einem Überangebot führt. Dennoch eröffnet der Handel jedes Jahr neue Standorte oder vergrößert bereits bestehende Läden.

Dieser Verdrängungswettbewerb führt zu teilweise abstrusen Rabatten und einer immer größeren Angebotspalette durch die Internationalisierung. Maggi in Konkurrenz mit Knorr, die Wagner-Pizza kann durch Dr. Oetker ersetzt werden und Vittel steht im Wettbewerb zu Evian, dem Wasser des Danone-Konzerns.

Wer gewinnt den Kampf?

Der Nestlé-Umsatz lag 2017 bei 78 Milliarden Euro, und lag laut CEO Mark Schneider „unter unseren Erwartungen, insbesondere nach einer schwachen Umsatzentwicklung zum Ende des Jahres“. Damit ist der Konzern schwächer gewachsen als sein Konkurrent Unilever. Grund hierfür könnte sein, dass der Konsument sein Kaufverhalten geändert hat und stärker frische Lebensmittel bevorzugt. Das erklärt auch, warum der Nestlé-Konzern einen Strategiewechsel und damit einen Umbau im Unternehmen eingeleitet hat. Im Portfolio wurden 4 Wachstumsbereiche definiert: Kaffee, Tierfutter, Babynahrung und Wasser. In weniger zukunftsorientierten Bereichen soll desinvestiert werden.

Damit haben beide Verhandlungspartner strategische Felder ausgemacht, die Investitionen erfordern! Edeka mit der Übernahme von Kaiser’s Tengelmann und Nestlé mit dem Ausbau neuer strategischer Geschäftsfelder. So könnten sich Markus Mosa und Mark Schneider auf gleicher Ebene begegnen. Wünschenswert wäre eine Einigung, die für beide Unternehmen gesichtswahrend ist! Denn klar ist auch, wenn einer der Partner fällt, hat das entweder Auswirkungen auf die gesamte Industrie oder auf den gesamten Handel! Ob es dabei immer sinnvoll ist, den Verhandlungspartner über die Medien unter Druck zu setzen, wage ich zu bezweifeln!

Bildquelle: Amaup.de

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