Das Ziel ist erreicht: endlich gibt HBC nach und unterzeichnet den Vertrag über eine Fusion von Kaufhof und Karstadt. Aber was heißt das für die Zukunft? Minus mal Minus ergibt Plus – wohl eher nicht! Der Zusammenschluss birgt maximal Synergie-Potenzial für Einkauf, Verwaltung und Personal auf der Fläche – mehr auch nicht! Der Chef – Stephan Fanderl – hat keine Vision für eine neue Strategie.
Holland in Not
Richard Baker (Hudson’s Bay Company/Kaufhof) und René Benko (Karstadt) saßen zwar an einem Verhandlungstisch – können sich bekanntlich jedoch nicht „riechen“!
Bei wem war die Not wohl am größten? Der aktuelle Druck lastete wohl eher auf Baker, hat er doch nicht nur Verluste in Deutschland, sondern hauptsächlich in Holland zu verzeichnen. 13 Warenhäuser in den Niederlanden laufen ins mehr als rote Minus.
Kein Wunder! Ein Beispiel: In Den Haag eröffnete Hudson’s Bay Company ein Kaufhaus direkt gegenüber vom Platzhirsch Bijenkorf, der ein identisches Edel-Konzept mit der gleichen Zielgruppe hat!
Aufgrund dieser und ähnlicher Managementfehler fährt das Unternehmen im laufenden Geschäftsjahr voraussichtlich 194 Millionen Euro Verlust ein.
Spar Dich reich!
Bei Karstadt halten sich die Verluste in Grenzen. Es werden Zahlen zwischen 2 – 26 Millionen Euro kolportiert. Allerdings ist auch hier das „Konzept“ am Ende! Die bisherigen Maßnahmen erstreckten sich auf Einsparungen bei Personal, Investitionen und Einkauf.
Dieses Potenzial ist allerdings nun erschöpft – während es bei Kaufhof davon noch jede Menge gibt. Stephan Fanderl hat bei Karstadt ganze Arbeit geleistet – das sind Dinge, die er im Handel gelernt hat. Brüstet er sich doch immer damit, dass er selbst bei seinen Eltern im Edeka-Laden an der Kasse saß.
Sein Netzwerk funktioniert: ehemalige und aktuelle Rewe-Manager beeilen sich, ihm Lob zu zollen. Doch kann Fanderl auch „Vision“?
Zwischen Sparen und Aufbruchstimmung
Die Aufgaben für die neue Führung sind widersprüchlich und lassen sich meines Erachtens nicht in einer Person vereinen. Einerseits stehen immense Sparprogramme für Kaufhof auf dem Programm, andererseits soll Aufbruchstimmung verbreitet und das Online-Geschäft ausgebaut werden. Hinzu kommen die unterschiedlichen Unternehmensphilosophien – und zwei Gesellschafter, die in tiefer Abneigung miteinander verbunden sind.
Auch wenn es üblich ist, dass sich die unterschiedlichsten Beraterfirmen die Klinke in die Hand geben, um diese Zielkonflikte in Einklang zu bringen – diese Mammutaufgabe ist mit einer Person nicht zu bewältigen. Fanderl steht für solide Sanierung – zukunftsorientierte Konzepte schaut er sich gerne bei Veranstaltungen an! Deren Potenzial und Erfolg zu bewerten ist eine andere Ebene.
Logisch? Logistik als Zukunftskonzept!
Der Einstieg von Karstadt/Kaufhof beim Logistikunternehmen Fiege ist eine Möglichkeit, in Zukunft Dienstleistungen nicht nur innerhalb der Unternehmen anzubieten, sondern auch als neues Geschäftsfeld zu platzieren. Durch die riesigen Warenlager der beiden Unternehmen (mit örtlichen Überschneidungen) geht es hier um die Positionierung als Anbieter für „The last Mile“ – also die letzten Meter. Sicherlich ist das ein Weg, das eigene Portfolio zu erweitern und neue Umsätze zu generieren. Allerdings stellt sich hier die Frage: Sind damit die Möglichkeiten ausgeschöpft und was hat das mit dem Angebot für die Kunden und dem Kundenpotenzial der beiden Handelshäuser zu tun? Sicherlich ist die Logistik wichtig – allerdings nur, wenn die Kunden auch kaufen!
Ware Haus statt Warenhaus?
Ist der Karstadt-Eigentümer René Benko wirklich am Handelsgeschäft in den 243 Standorten interessiert und an den insgesamt rund 32.000 Mitarbeitern? Warum blieb er so beharrlich am Ball bei Kaufhof? Die Vermutung liegt nahe, dass er sich sehr stark auf den Immobilienwert der Kaufhof AG fokussiert hat und in Zukunft mit steigenden Werten rechnen wird. Denn eines ist auch klar: Beide Warenhauskonzerne haben den Anschluss an die moderne Handelswelt verpasst – die verschnarchte Strategie hatte den Kunden nie im Fokus, der störte eher den Ablauf innerhalb der beiden Unternehmen.
Viele der Kaufhof-Gebäude stehen in den 1A-Lagen von Innenstädten. Schon beim Eigentümerwechsel zu HBC ging man von einem Wert von 6,7 Milliarden Euro aus.
Digital Natives – Annäherung an eine Unbekannte
Trotzdem hat die Deutsche Warenhaus AG (Karstadt und Kaufhof) große Chancen im stationären und online-Geschäft, wenn sie eine kluge Strategie entwickelt und bisher vernachlässigte Zielgruppen anspricht.
Was zeichnet die Generation der Digital Natives oder auch M-Commerce-Gruppe (für Mobile Commerce) aus? Sie lassen sich nicht in enge Ladenöffnungszeigen zwängen und nutzen deshalb die Online-Kanäle zum Kauf, wann immer sie wollen.
Sie erwarten nicht nur die Lieferung innerhalb eines Tages, sondern auch, dass ihre Anfragen entweder im Live-Chat oder mindestens innerhalb von 24 Stunden beantwortet werden. Der erste Schritt hinsichtlich der Logistik ist bereits die oben genannte Kooperation mit Fiege.
Was jedoch bedeutet das für die stationären Läden? Reicht es aus, Kooperationen mit Unternehmen einzugehen, die auf der Fläche das Problem lösen?
Let’s have Fun
Voraussetzung für den Erfolg ist die Entwicklung einer zukunftsfähigen Strategie, die neue Trends und Entwicklungen gezielt einsetzt. Die Frage ist, ob im Management der neuen Warenhaus AG jemand vorgesehen ist, der so etwas entwickeln soll und kann.
Denn der Kunde hat schon jetzt andere Erwartungen an die stationären Flächen wie z.B. „Smart Mirrors“: intelligente Spiegel, die auch passende Zusatzprodukte empfehlen. Er erwartet den Einsatz von Virtual Reality, sodass er gar nicht mehr in die Umkleidekabine muss. Oder „Inspirational Mirrors“, die individuelle Modestile vorschlagen.
Alibaba hat schon lange eine App, mit der die Kunden in Echtzeit durch den Flagshipstore in New York gehen können. So schlendern die Benutzer ohne Einkaufsstress durch den virtuellen Shop und sichern sich ihre Schnäppchen. An diesen Beispielen zeigt sich, wie weit die Warenhäuser Kaufhof und Karstadt zurückliegen.
Für Dich gemacht – Implicit data
Klar ist, die Optik auf den Flächen von Karstadt und Kaufhof muss sich häufiger ändern. Dies können die Inhaber unter anderem durch Pop-Up Stores erreichen, die bei jungen Leuten überaus beliebt und erfolgreich sind.
Eine weitere Möglichkeit ist die Nutzung der Sharing Economy – statt Designerklamotten zu verkaufen, sie vermieten! Denn die junge Generation ist ständig auf der Suche nach neuen Styles, anstatt immer neue Ware zu kaufen. Sie sind auf der Jagd nach authentischer Handwerksware – bis hin zur Teilnahme an Workshops, um individuelle Bedürfnisse und Vorlieben zu befriedigen. Eine zusätzliche Chance für die Untervermietung der großen Kaufhaus-Flächen.
Großes Potenzial liegt in der Nutzung von Empfehlungsmarketing. Nach dem Influencer-Hype der letzten Jahre hat sich eine sinnvolle Strategie etabliert: Nutzung authentischer Influencer, die zur eigenen Marke und Strategie passen. Warum wird in den Flagship-Stores nicht einmal eine Live-Veranstaltung mit Influencern umgesetzt? Hier können sich Marken positionieren, investieren, über Live-Streaming Reichweite und Bekanntheit erhöhen – und schließlich verkaufen.
Letztendlich geht es langfristig um Personalisierung! Sie wird in Zukunft nicht aus den Daten erhoben, die Kunden ausdrücklich freigeben, sondern über Informationen aus ihrem Verhalten, glaubt man Scott Galloway, Professor an der NYU Stern School of Business. So weiß in Zukunft der Verkäufer perfekt, was er dem Kunden anbieten muss! – Die Kaufhaus AG bietet damit das richtige Produkt, zum perfekten Preis, passend zu den individuellen Gewohnheiten im persönlichen Design. Eine tolle neue Erfahrung, die man gerne mit Freunden teilt – online und offline!
Bildquelle: Colourbox ID #27178634