Wie politisch darf eine Marke sein? – Trump zensiert beim Super Bowl

Jedes Jahr boomt die Fernsehwerbung beim wichtigsten Ereignis in den USA – dem #SuperBowl. Und wie in jedem Jahr sind alle gespannt auf die Inhalte der Werbespots und wie sich die Marken in diesem hochkarätigen Werbeumfeld positionieren. Immerhin kosten die 30 Sekunden 5 Millionen Dollar! Politische Inhalte wurden bisher Marken selten zugeordnet und ihre Angebote nicht als politische Inhalte deklariert. Das hat sich jedoch mit den Ereignissen im letzten Jahr geändert. Sind Marken also doch politisch oder dürfen Sie das überhaupt sein?

So macht man aus Krisen Werbung

Wir haben uns an die Nachrichten gewöhnt: Griechenlandkrise, Streit um TTIP, Eurokrise, Flüchtlingskrise, Trump, Brexit…das ließe sich unendlich weiterführen. Unsere Gespräche am Arbeitsplatz und im Freundeskreis drehen sich um nichts Anderes.

Und damit ist die wichtigste Voraussetzung für die Markenführung geschaffen: Relevanz! Die bedeutenden gesellschaftlichen Themen der Verbraucher anzusprechen schafft gleichzeitig ein hohes Involvement für die Marke und ihre Botschaft.

Die Flüchtlingskrise als affektives Erlebnis stand deshalb auch Mittelpunkt großer Marken beim Super Bowl.

Budweiser: Der Spot spielt im 19. Jahrhundert und handelt von einem Immigranten aus Deutschland, der in den USA sein Glück sucht. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten angekommen, wird er nicht gerade freundlich begrüßt. Er kämpft sich durch. Am Ende steht jedoch die Botschaft: „When nothing stops your Dream.“ Er basiert auf einer wahren Geschichte. Entgegen aller Behauptungen sagte der Konzern Anheuser-Busch, bei dem Spot handele es sich nur um eine „Koinzidenz“ zur aktuellen politischen Lage in den USA. Spot hier

84Lumber: Die Firma für Baustoffe zeigte einen Spot, in dem eine mexikanische Mutter mit ihrer Tochter über die Grenze zu den USA flieht. Die beiden irren zunächst durch Mexiko, und als sie es schließlich nach schwieriger Flucht an die Demarkationslinie schaffen, stehen sie dort vor einer meterhohen Mauer. Der Mutter kommen die Tränen. Spot hier

Darf Politik zensieren?

Der Spot von 84Lumber war allerdings dem Trump nahestehenden Sender Fox News zu provokant. Er äußerte in scharfer Form seine „Bedenken“ und forderte ein alternatives Ende. Nach dieser Intervention wurde die Mauer am Ende aus dem Spot genommen.

Die Frage ist: Darf ein Politiker wie #Trump über die Hintertüre die Markenwelt in die Knie zwingen? Zeigt er doch durch seine nationale politische Allmacht die Ohnmacht der langjährigen Love und Power Brands. Es ist sehr zweifelhaft, wie er sein Präsidentenamt ausnutzt, um Inhalte und Themen zu beeinflussen. Er degradiert erfolgreiche Unternehmen zu Komparsen mit Aussagen wie sie simpler nicht sein können.

Und er beherrscht die Klaviatur der Internetkommunikation. Er bedient über Twitter und andere Kanäle das Bedürfnis der Menschen nach sozialer Interaktion und Unterhaltung. Er versteht es, eine Mischung aus Distanz und gleichzeitiger Nähe herzustellen. Da Trump aus der Wirtschaft kommt, weiß er, dass der Markt immer stärker durch situativen Austausch geprägt ist. Er setzt einen Strom aus Anreizen und Informationen, die seinen Wählern wichtig sind. Das zeigen die letzten Umfragen, in denen die Hälfte der Amerikaner der Meinung sind, dass Amerika auf dem richtigen Weg ist. Mit seiner Art von Politik treibt er die Markenindustrie vor sich her. 

Politische Aussagen als Erfolgsfaktor?

Versuchen die Markenhersteller wirklich politische Themen zu setzen oder rücken sie das Thema Flüchtlingspolitik als Markenbotschaft in den Mittelpunkt ihrer Markenkommunikation, um Popularität und Reichweite zu steigern? Sie müssen sich bei ihren kreativen Ansätzen auch den Vorwurf der Instrumentalisierung gefallen lassen.

Simple is powerful – faktisches Wissen ist als Erfolgsfaktor weniger wichtig. Informationen werden immer oberflächlicher, schneller und kürzer. Und so heiligt der Zweck die Mittel: Das Thema Flüchtlingspolitik wird durch kommerzielle Werbespots dynamisiert.

Rob Shapiro, Chef der Werbefirma Brunner, die mit dem Spot 84Lumber beauftragt worden war, sagte dazu, man wolle sich angesichts der politischen Debatte als Unternehmen eindeutig positionieren. „Wenn jeder die Diskussion versucht zu vermeiden, müssen wir dann nicht erst recht aufstehen und unsere Meinung äußern?“, sagte er der „Washington Post“.

Allerdings fällt es schwer, bei dieser Art von erfolgreicher Vermarktung idealistische Ziele zu unterstellen – die Unschuld geht verloren. Trotzdem ist es wichtig, solche gesellschaftlichen Probleme nicht zu ignorieren und damit auch in der Werbung anzusprechen. Denn Sie sind authentischer Teil des Konsumentenlebens.

Simply the best?

Die Werbeagenturen müssen sich jedoch ihrer Verantwortung bewusst sein: Menschen suchen nach Orientierung und in unserer komplexen Welt nach Vereinfachung. Sie wollen sich einerseits abgrenzen, aber auch ihre Zugehörigkeit zum Ausdruck bringen.

Eine Zugehörigkeit zu jener Gruppe, die sich in den erwähnten Beispielen mit dem Thema Flüchtlinge auseinandersetzt. Die erwähnten Spots zeigen das sehr eindrucksvoll: 84Lumber wurde auf YouTube in wenigen Tagen über 3 Millionen und Budweiser über 27 Millionen mal angeschaut, abgesehen von den Interaktionen in den Social Media Kanälen.

Der Erfolg solcher politischen Botschaften fordert eine neue Fürsorgepflicht von den Werbern. Denn die Art der Informationsaufnahme in kurzer, komprimierter Form ist zum Standard geworden. Die Geduld der Konsumenten ist gering und damit auch die Bereitschaft, sich mit einem Thema in der Tiefe auseinanderzusetzen. Gleichzeitig zeichnet sich ein enormer Anstieg der Reizschwelle ab, um überhaupt noch wahrgenommen zu werden. Deshalb setzen die Agenturen heute brisante politische Themen ein – eine schmale Gratwanderung zwischen Kommerz und Transparenz.

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