Hinein ins echte Leben – was Marketing aus Fehlprognosen der US-Wahl lernt!

Es gab zahlreiche Meinungen und Analysen zum Thema Wahlen in den USA und das Verhalten von #Trump. Viel grundlegender aber ist die Frage: Inwieweit können wir uns auf die Daten und Prognosen von Umfragen bzw. Analysen auch im Marketing der Industrie, Konsumgüter und Dienstleistungen verlassen? Und ergeben sich daraus nicht auch Chancen, die Echokammern zu verlassen?

 Echokammern und die Folgen

Was sind Echokammern? Wenn Comedian Carolin Kebekus sich über Nazis lustig macht und in ihrem Video fragt: „Wie blöd seid ihr eigentlich?“, weil sie nicht einmal ein richtiges Hakenkreuz hinkriegen, dann ist das kein Dialogangebot! Es geht vielmehr darum, Gleichgesinnten und Gleichdenkenden die Legitimation und Bestätigung zu geben. Dieses Beispiel zeigt drastisch, wie Echokammern prinzipiell funktionieren: in diesem Meinungsghetto hallt besonders laut wider, was den Einstellungen der Nutzer entspricht und über das zustimmende Facebook-Echo mit Likes und Shares verstärkt wird.

In der Welt des Konsums wurden Echokammern ursprünglich genutzt, um den Konsumenten noch effektiver und mit individueller Ansprache bewerben zu können. Diese maßgeschneiderte Kommunikation und Werbung wiederum wird durch Algorithmen von Unternehmen erzeugt, die unsere Bedürfnisse, Vorlieben, Freunde, Umfeld etc. erfassen und analysieren. Inzwischen ist die Entwicklung jedoch insofern ausser Kontrolle geraten, dass sie entscheidenden Einfluss auf unser Konsum- und Surfverhalten hat und keiner der Beteiligten mehr aus diesem Karussell aussteigt!

Ein Spiegel-Leser will keine Bildzeitung lesen?

Welche Nachrichten-Seiten besuchen Sie online? Besuchen Sie Stern und Spiegelseiten? Dann erhalten Sie auch Vorschläge von der Zeit und der taz! Sie bekommen jedoch auf keinen Fall etwas von der Bildzeitung oder dem Contra-Magazin.

Noch drastischer ist es, wenn der #Algorithmus aufgrund der vorliegenden Daten sie als typischen Interessenten für ein Porsche-Modell ausmacht! Sie werden nie ein Angebot für einen Hybrid-Kleinbus erhalten. Ja, die bunte Welt der Werbung ist nun zu einem Einheitsgrau mutiert, weil das Marketing sich auf vermeintlich intelligente Einschätzungen und vorausschauende Ansprache verlässt und auch nur noch die prognostizierten Interessen der Kunden bedient.

Diese auch Filter-Bubbles genannten Räume bilden inzwischen ganze Konsum-Welten ab! Angenommen, Sie sind Anhänger der New Age Philosophie, dann finden Sie sich in einer kompletten Parallel-Welt wieder: Produkte aus der Esoterik, spirituelle Kreativität, Seminare und alles was dazugehört. Darüber hinaus erhalten Sie auch nur noch Anfragen und Vorschläge von Gleichgesinnten, Sie besuchen auch nur noch die entsprechenden (empfohlenen) Blogs etc. Das alles läuft für den Nutzer nicht so sehr bewusst ab, er merkt jedoch intuitiv dass die Vielfalt der Angebote nachlässt. Deshalb entscheidet er sich inzwischen gezielt und immer häufiger für Alternativmedien und -Blogs, um aus diesem Einheitsbrei auszubrechen! Und dieser Entwicklung sollte man auch im Marketing Rechnung tragen!

Den Algorithmen die Stirn bieten

Marketer sind eigentlich von Grund auf Optimisten. Und sie wussten schon immer, dass ihre Kunden über Emotionen anzusprechen sind. Deshalb braucht man keine – wie momentan gehypt wird – postfaktische Zeit heraufbeschwören. Das war schon immer so! Das Marketing hat jedoch vergessen, worauf es beim Käufer (und auch bei Parteien) ankommt: Authentizität! Große Marken wie Coca-Cola haben diesen Wert in meinen Augen zum großen Teil verraten, weil ihnen Algorithmen vorgegaukelt haben, was ihre Kunden wünschen!

Zugespitzte Inhalte, die die Zielgruppe bewegen, fehlen heute in weiten Teilen. Sehen wir uns nur die neuen Weihnachtskampagnen der Unternehmen an! Sie sind eine Kommunikationsblase aus „Zeit schenken“, „Hektik“, „Nicht perfekt sein müssen“etc. Und bei jeder neu entwickelten Kampagne hat man das Gefühl, gleich alle Bedenken und Befürchtungen der Konsumenten ausgeräumt haben zu müssen.

Das Marketing sollte aus den beschriebenen Fakten positive Schlüsse für sich ziehen:

  • Nennen Sie ihre Käufer nicht im Marketingjargon ‚Konsumenten‘. Dieser Begriff ist eher distanzierend und impliziert, dass es geistlose Menschen gibt, die nur auf Werbebotschaften von Marken (und Parteien) warten. Wie uns die Wahl in den USA gelehrt hat, ist der Mensch ein komplexes Wesen und wenn man ihn als wirklichen Menschen wahrnimmt, wird auch das Marketing erfolgreicher
  • Treten Sie bewusst aus der Komfortzone heraus. Und erwarten Sie das auch von Ihrer Werbeagentur. Nutzen Sie Direktkontakte und Kanäle, die Ihnen nicht vorgaukeln nur unter Gleichgesinnten zu sein
  • Verschwenden Sie weniger Geld und Gedanken an Paid Media. Versuchen Sie eher die Dinge, die ihre Kunden wirklich lieben, zu verstehen. Marketingziele kann man nicht kaufen!

Daten sind zwar beruhigend, denn sie vermitteln ein Maß an Sicherheit für die Entscheidungen im Marketing. Dies kann jedoch echte Konversationen mit realen Menschen nicht ersetzen. Die Welt war noch nie so bunt und innovativ wie heute. Diese Tatsache sollte das Marketing als Chance begreifen, indem es sich mit „Andersdenkenden“ konfrontiert, sich Fragen stellt und auch schon mal an dem eingeschlagenen Weg zweifelt.

Egal wie man über den Wahlausgang denkt, Donald Trump hat immer daran festgehalten, dass er es mit echten Menschen zu tun hat. Denn auch im allzu perfekten Marketing stecken hinter allen Datenpunkten doch Menschen, die eben nicht perfekt sind und höchste emotionale Entscheidungen treffen.  

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