Überall sind sie: die BOTs, die unser Leben verändern. BOTs suchen Kontakt zu uns bei Facebook, Twitter und Co., stellen unsere Einkaufsliste für Lebensmittel zusammen, schlagen uns Rezepte vor und helfen uns bei der Suche nach Geschenken für Freunde. Dabei spielen Messenger Dienste wie Facebook eine große Rolle. Auch bei der Bundestagswahl 2017 beeinflussen Social Bots angeblich die Meinungen. Welche Chancen bieten sie im Marketing, welche Technologien liegen zugrunde und wird der E-Commerce von den Sprachassistenten überholt?
Das AngeBOT steckt noch im Experimentierstadium
Der Handel im Internet und der Wettlauf um die Gunst der Kunden verschärft sich immer mehr. Händler wie Kaufda mit ihrem „Kaufda AngeBOT“ experimentieren immer noch, obwohl sie schon seit Oktober 2016 auf dem Markt sind. Über den Facebook Messenger kann der Kunde zum Beispiel das Stichwort „Pralinen“ eingeben und erhält ein Edeka-Prospekt in der Nähe – allerdings ohne Pralinen! Es kann jedoch sein, dass der Bot auch das Ferrero-Produkt „Celebrations“ als Pralinen versteht! Oder er empfiehlt bei der Eingabe „Müsli“ einen Discounter, der ca. 40 Kilometer vom Wohnort entfernt ist!
Probleme beim Datenaustausch mit Händlern
Die Programmierung der Bots gestaltet sich schwierig. Offensichtlich haben die Händler nichts dazugelernt, um die Standardisierung eines digitalen Angebotes zu unterstützen. Nach wie vor gibt es eher selten einheitliche Produktbeschreibungen. Deshalb kann der Bot die Angebote oft noch nicht richtig identifizieren und zuordnen.
Der Handel muss sich jedoch gerade im FMCG (Fast Moving Consumer Goods) beeilen, da immer mehr Konsumenten den Lebensmitteleinkauf auf Online-Plattformen bevorzugen. Laut Statista waren es 2016 schon fast 20% der Konsumenten, die Nahrungsmittel online gekauft haben.
Konkurrenz durch DHL
Der Online-Supermarkt Allyouneedfresh (der inzwischen für Amazon Fresh ausliefert) von der DHL Group nutzt ebenfalls die Messenger Dienste. Per Messenger kann ich mir als Kunde eine Einkaufsliste zusammenstellen und sie über WhatsApp verschicken. Ein Bot erstellt mir im Shop den Warenkorb und schickt mir einen Link zur Überprüfung und gegebenenfalls Ergänzung.
Per Machine Learning wird der Bot immer intelligenter: er merkt sich die Milch, die Bioprodukte etc., die ich das letzte Mal bestellt habe und schlägt sie mir dann in der Einkaufliste direkt vor. Die Schwierigkeit bei der Programmierung besteht darin, dem System die unzähligen Synonyme der einzelnen Produkte wie z.B. Toilettenpapier beizubringen. Momentan werden die meisten Ergebnisse noch durch reale Mitarbeiter kontrolliert und korrigiert.
Die Convenience der Consumer spielt dabei die entscheidende Rolle: Über Produkte des täglichen Bedarfs will der Kunde nicht groß nachdenken, sondern sie einfach und bequem einkaufen.
Indirekter Verkauf durch Chatbots von L’Oreal und Nestlé
Der „Beauty Gifter“ (Video) ist L’Oreals Facebook-Messenger-Dienst. Der Bot hilft hier den Kunden, Kosmetikgeschenke zu finden. Dazu genügen ein paar Angaben über den zu Beschenkenden und das vorhandene Budget. Aus diesen Angaben werden die passenden Produkte ausgewählt, die man natürlich auch direkt online erwerben kann.
Es gibt Beispiele für den indirekten Verkauf und die Kundenbindung wie den Chatbot „Kim“ (Video) (Kitchen Intelligence by Maggi), der ebenfalls über den Facebook Messenger Rezepte empfiehlt. Er bereitet den Boden für die Zukunft und die Verwendung bei möglichst vielen Nestlé-Produkten.
Chatbots funktionieren jedoch nur, wenn die Marken sich beim Kunden schon mit einem relevanten Dialogbedarf etabliert haben. Ein Chatbot kann nicht die grundsätzliche Kommunikation aufbauen.
Jeder Markenhersteller muss deshalb selbst dafür sorgen, dass er den Kundendialog zum Beispiel bei den Messengerdiensten etabliert und die vorhandene Dialogbereitschaft des Kunden für seine Produkte nutzt.
Meinungsmache mit Social Bots im Wahlkampf
Die Hochschule für Politik der Technischen Universität München hat untersucht, wie viele Nachrichten, die den Hashtag #Merkel oder #Schulz haben, von Social Bots kommen. Sie geht davon aus, dass etwa zehn Prozent der Nachrichten tatsächlich von Social Bots gesendet wurden.
Das Problem besteht hier allerdings in der Identifizierung der Bots. Mit einfachen Heuristiken – „Wer über 50 Tweets pro Tag absetzt ist auf jeden Fall ein Bot“ – kommt man nicht zu validen Ergebnissen. Beim Machine Learning stammen die Grundlagen für die politischen Analysen hauptsächlich aus den USA und lassen sich nicht ohne weiteres auf Deutschland übertragen.
Deshalb ist die realistische Einschätzung der deutschen Forscher, dass fundierte Rückschlüsse erst bei der nächsten Bundestagswahl vorliegen und somit auch eine entscheidende Rolle spielen werden.
Chatvertising by Jägermeister
Jägermeister setzte schon im Jahr 2016 die Technologie der Bots ein, um eine zusätzliche Entertainment Dimension innerhalb der Kampagnen zu etablieren. Der „Jäm Bot“ (Video) animierte die Fangemeinde dazu, individualisierte Rap-Videos an ihre Freunde zu schicken. Aus diesen Chats kreierten professionelle Rapper wie Eko Fresh und Ali As die 100 besten als individuelle Mini-Songs und schickten sie den Gewinnern zu. Die Kampagne wurde verlängert, indem jeder die Möglichkeit hatte, sich ein Song-Video standardisiert konfigurieren zu lassen.
Diese erfolgreiche Bot-Kampagne erreichte über 4 Millionen Menschen und erzeugte über 40.000 Videos.
Der Kampf um den Kunden über Sprachassistenten
Die Anwendung von Bots ist im Marketing vielseitig – der heutige Status quo bei vielen Unternehmen erst der Anfang. Spannend wird die Verknüpfung der beschriebenen Aktionen mit Hilfe der NLU (Natural Language Understanding) – Technik. Stellen Sie sich vor: „Kim“ von Maggi wird mit intelligenten Kühlschränken verknüpft, schlägt ihnen aufgrund ihres Vorrates eigenständig Rezepte vor und Sie können Fragen über die Zubereitung stellen, ohne etwas einzutippen. Dieses Szenario wird in naher Zukunft umgesetzt. – Keine Zeit für Schnarchnasen! Wo spielt der deutsche Handel da überhaupt eine relevante und aktive Rolle?
Denn schon jetzt beginnt der Kampf um die Plätze bei Amazon Echo, Google Home und dem HomePod von Apple. Gemeint ist damit das Rennen der Werbungtreibenden um den Zugang zum Kunden – die Straße für das Marketing wird enger! (s. folgender Artikel im Oktober 2017)
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