Markenführung zwischen Macht und Ohnmacht – was unterscheidet Amazon von Traditionsmarken?

Immer häufiger werden die traditionellen Marken wie z.B. Coca-Cola, BMW oder andere verglichen im Markenkern, in der Markenführung, im Erfolgs-Ranking etc. mit Amazon – einer Marke, die sich stark über den Preis definiert. Doch was haben alle Marken gemeinsam bzw. was unterscheidet die Markenführung der Traditionsmarken von der bei Amazon?

Das Markenuniversum 2017

Die Herausforderungen im Markenuniversum und damit auch für die Markenführung wachsen mit steigender Komplexität der digitalen Welt. Die Macht der Verbraucher ist so ausgeprägt wie noch nie. Marken müssen heute stärker situativ reagieren und mit zunehmender Dialogtiefe zum Verbraucher punkten. Für Traditionsmarken ist das ein schwieriger Spagat: Sie müssen einerseits den Zeitgeist befriedigen, andererseits den Eindruck vermitteln zu sein, was sie immer waren! Steht also Empathie gegen Technologie? Gelten Werteversprechen heute nichts mehr? Stehen Leistungsversprechen, wie amazon sie jeden Tag liefert, beim Verbraucher an erster Stelle?

Um Antworten auf diese Fragen zu geben, analysiere ich 4 Punkte, die für die Markenführung von Bedeutung sind:

1.      Emotionale Relevanz

Dem Emotional Branding liegt laut Esch die Annahme zugrunde, dass das Erfahren und Erleben einer Marke über unterschiedliche Sinnesmodalitäten signifikante Wertschöpfungsbeiträge leisten kann. Grundlage ist der Aufbau einer langlebigen und emotionalen Bindung des Konsumenten an die Marke, die letztendlich zum Markenerfolg beiträgt.

Im Vergleich der Marken gewinnt Amazon in der Kategorie Emotionalität nur wenige Punkte. Es fehlt an einer übergeordneten Mission, an die die Kunden jenseits des praktischen Nutzens glauben können. Jedoch bedient Jeff Bezos etwas, das man Zeit- bzw. Lebensknappheit nennt. Und das hat für den Verbraucher emotionale Relevanz.

Ganz anders wird das Thema Emotionalität z.B. bei der Marke Duplo bedient. Mit über 500 000 Fans auf Facebook ist er der Star unter den Schokoriegeln aus dem Hause Ferrero. Die traditionelle Seite der Markenführung reichert die Kommunikation über den Schokosnack stets mit leichter Ironie und Humor an. Die emotionale Bindung zur „längsten Praline der Welt“ besteht schon seit dem Launch 1964. Trotz starker Veränderungen der Märkte haben die Markenverantwortlichen den Spagat zwischen traditioneller und moderner Markenführung stets bewältigt. Mit einer neuen Aktion können die Verbraucher nun das längste Kompliment der Welt über aneinandergereihte Videobotschaften entwickeln.

2.      Vertrauen

Das Vertrauen in eine Marke ist die härteste Währung in der Markenführung. Vertraut der Kunde einer Marke, hat sie einen entscheidenden Wettbewerbs-vorteil in der digitalen Welt. Reinhard Sprenger sagt sogar, es sei die einzige Ressource, die uns in der „Economy of Speed“ überleben lässt.

Bei einer Untersuchung der Wirtschaftswoche zum Vertrauensindex hinsichtlich der Marken war der Online-Händler Amazon Vertrauens-Sieger über alle Klassen (bei einer anderen Untersuchung von Readers Digest kam Amazon auf Platz zwei). Und das hängt mit der Leitidee des Unternehmens zusammen. Amazon bietet seinen Kunden absoluten Mehrwert: alle Produkte bzw. Dienstleistungen auf der ganzen Welt verfügbar machen und in kürzester Zeit bequem nach Hause liefern bzw. über Streaming von zuhause anfordern. Trotz des schlechten Arbeitgeberimages bleibt das Kundenvertrauen ungetrübt.

Die Traditionsmarke Nivea bedient alle Vertrauenstreiber, die seit Jahren stabil geblieben sind: Produkt- und Servicequalität, Kundenorientierung und glaubwürdige Kommunikation. Nivea ist skandalfrei geblieben und bietet dem Kunden seit Jahrzehnten positive Markenerlebnisse. Bei der neusten Aktion kann der Kunde selbst zum Markenbotschafter werden – auch diese Aktion unterstützt das Vertrauen in die Marke. Nivea steht beim Brand Trust Ranking seit Jahren auf den ersten Plätzen

3.      Markenversprechen

Für die moderne Markenführung ist die Einhaltung des Markenversprechens die Basis zum Erfolg. Für den Verbraucher gilt es, in Zeiten von täglich 6000 Werbebotschaften, relevantes von unnützem Wissen zu trennen. Deshalb muss das Markenversprechen einfach sein und auf den differenzierenden Kern des Unternehmens einzahlen.

Die Marke Amazon war nie durch Technologie und Eigenschaften definiert. Jeff Bezos verspricht im Markenkern eine Orientierung am Kundennutzen. Was übersetzt so viel bedeutet wie das schnelle Lernen vom Kunden, die Umsetzung des Erlernten und die durchgängigen Kundenprozesse. Auch hier spielt Amazon in der ersten Liga mit, denn die Einhaltung der Versprechen des Unternehmens werden streng überwacht und evaluiert.

Das Markenversprechen von BMW „Freude am Fahren“ ist ein optimistisches und nach vorne gewandtes. Das oberste Gebot der Markenführung beim Automobilhersteller ist: „BMW handelt immer nur dann, wenn die Marke sicher sein kann, ihr Markenversprechen einzuhalten“, so Markenmann Köhler. So verzichtete BMW auf die Auslieferung dieselmotorisierter Fahrzeuge (in Zeiten als sie noch ein gutes Image hatten), weil Sie dem Markenversprechen „Freude am Fahren“ nicht gerecht geworden wären. Damit erzielt BMW Rekordwerte bei der Glaubwürdigkeit bei seinen Zielmärkten.

4.      Trends und Innovationen

In einem immer schneller werdenden Markt muss sich die Markenführung darauf beschränken, nicht jedem Trend oder jeder Innovation hinterherzulaufen. Jedes Jahr erzählen uns Experten, welche Trends im nächsten Jahr auf jeden Fall zu beachten sind. Für die Markenführung bedeutet es aber, Trends und Innovationen dienen nicht dem Selbstzweck sondern müssen immer Mittel zum Erfüllen des Kundennutzens sein.

Auch hier war Jeff Bezos schon immer Vorreiter. Er verschwendet keine Zeit zu überlegen, was sich ändert. Er überlegt, was sich nicht ändert: Kunden kaufen bei dem Händler, der den niedrigsten Preis und die größte Auswahl hat. Der Kunde will es bequem und schnell. – Schnelle Lieferung! Und genau an dieser Strategie entlang werden die Innovationen entwickelt wie Lieferdrohnen etc.

Die Traditionsmarke Coca-Cola hat 92 Millionen Freunde auf Facebook – so viele wie sonst kaum eine Marke und sie schafft es immer wieder, gesellschaftliche Schwingungen bzw. Trends aufzuspüren und in gute Kommunikationskonzepte umzusetzen. Dabei verliert sie ihr Grundversprechen – nämlich Erfrischung zu liefern – nicht aus den Augen. Als Beispiel sei hier die Einführung der Marke Coca-Cola Light genannt, die vor 30 Jahren eingeführt wurde, als das Thema Zuckerkonsum noch keines war! Oder die Aktion mit den Vornamen auf dem Etikett. Damit wurde Coca-Cola zum persönlichen Drink umfunktioniert!

Liebe und begehre Deine Marke?

Im Vergleich der Traditionsmarken mit Amazon fällt auf, wie stark Amazon auf die Kundenbedürfnisse ausgerichtet ist, ohne seine Strategie aus den Augen zu verlieren. Und wie bei den Traditionsmarken ist auch hier die strikte Markenführung eine Frage der Disziplin. Einigen – wie den genannten – Markenunternehmen gelingt es, in einzelnen Bereichen zu punkten. Amazon dagegen deckt alle relevanten Markendimensionen ab.

Gilt der Grundsatz der Love Brand im ursprünglichen Sinne noch? Wird die Marke Amazon nicht genauso begehrt – auf einer anderen Ebene? Der Anspruch von Amazon, die Herausforderungen und Wünsche der Kunden zu lösen bzw. zu erfüllen führt zu einer hohen Relevanz und steigert das positive Image.

Die Traditionsmarken müssen sich einerseits der immensen Innovationsbereitschaft von Händlern wie Amazon stellen, dabei aber ihren Markenkern nicht verwässern. Sie müssen das Spannungsfeld zwischen „gefällt mir“ und „langweilig“ aufrecht erhalten. Und das bedeutet auch, dem Kunden Macht zu geben, ihm jedoch nicht zu viel Macht einzuräumen. Jeff Bezos bringt es auf den Punkt: „Wir sind stur in unserer Vision. Wir sind flexibel im Detail. Wir geben Dinge nicht leichtfertig auf.“

Bildquelle: Colourbox ID #21098322

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